NZZ zeigt, wie Krisenkommunikation funktioniert

von Steffen Greschner am 7. Februar 2012 · 185 Kommentare

Im Blog der Werbeagentur Grey wird heute die Krisenkommunikation der NZZ besprochen. Dem Urteil schließe ich mich gerne an:

Die renommierte Schweizer Tageszeitung Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hat bewiesen, wie man in einer Krise die Ruhe bewahrt und offen sowie transparent kommuniziert. Ein gutes Beispiel für die Krisenkommunikation einer Marke im Social Web.
(..)
Da nicht absehbar war, wie lange die Schwierigkeiten vorhalten würden, überlegte sich die Crew um Peter Hogenkamp, eine permanente Instant-Krisen-Kommunikation über die Entwicklung der Reparaturarbeiten zu initialisieren. Aus der Not geboren entwickelte sie letztlich aber genau das, was ihr Ziel war: Mit Transparenz und Offenheit den eigenen Schwierigkeiten begegnen und auf diese Weise die User des Online-Angebots der NZZ auf dem aktuellen Stand zu halten sowie ihnen schließlich auch die Möglichkeit für Anregungen oder Kritik zu ermöglichen.

Wirklich beeindruckend, wie schnell man bei der NZZ auf tumblr zur Krisenkommunikation umgestiegen ist. Ursache war ein schiefgelaufenes Update, wodurch die NZZ über Stunden zwar für die Leser aufrufbar aber nicht mehr durch die Redaktion aktualisiert werden konnte. Ich wage zu bezweifeln, dass solche Pläne bei vielen in der Schublade liegen.

Wie kommt der lokale Händler zur Onlinewerbung

von Steffen Greschner am 7. Februar 2012 · 100 Kommentare

Streetfight hat ein Thema aufgegriffen, das auch im deutschen Markt noch sehr im Argen liegt: 5 Tips for an Effective Hyperlocal Advertising Campaign:

As hyperlocal advertising continues to heat up, publishers and merchants are working together to figure out what makes online ads most effective. Here are five tips from top hyperlocal publishers that can help merchants stay ahead of the curve.

Zusammengefasst ergibt das für mich drei Kernpunkte:

  • Nimm die Kunden bei der Hand. Die meisten kennen das Online-Business nicht und brauchen Beratung bis runter zu den Grundlagen. Daraus ergeben sich aber auch wieder Chancen, mit dem Kunden eine enge Beziehung aufzubauen und sich als der Online-Dienstleister zu präsentieren. Beratung in der Umsetzung erfolgreicher Onlinewerbung gehört dazu – nicht nur der Verkauf des Anzeigenplatzes.
  • Baue enge Beziehungen auf. Im Lokalen sind die Kunden um die Ecke. Besser als Mailen oder Anrufen ist immer noch der persönliche Besuch. Ja, auch ein Journalist kann mal mit einem Werbekunden sprechen und bei der Gelegenheit fragen, wie es eigentlich läuft im Business.
  • Das Leben ist offline. Zumindest der größte Teil der meisten Menschen. So müssen im lokalen Umfeld auch die Kampagnen gedacht werden. Viele Werbekunden haben mit Klickzahlen und CPC-Gerede nicht viel am Hut. Sie wolle auch nicht online verkaufen, sondern Menschen, die zum Schluss in den Laden marschieren. Es geht um Relevanz und nicht um pure Klickzahlen.

Natürlich dürfen auch technische Möglichkeiten, Mobile und Co. nicht außen vor gelassen werden. Der Erfolgsfaktor wird im lokalen aber noch für einige Zeit darin liegen, wie gut es dem Vertrieb gelingt, die online oft vollkommen unerfahrenen Unternehmer und Händler an die Onlinewelt heranzuführen.

Servicejournalismus im Longtail als Verkaufsinstrument?

von Steffen Greschner am 31. Januar 2012 · 306 Kommentare

Was bisher selten sinnvoll angegangen wird, ist der Longtail des Journalismus. Bestehende Inhalte verkommen zu Datenleichen und verschwinden auf den Xten Unterseiten. Trotzdem bringen bestehende Inhalte im Netz ständig Leser über Suchmaschinen und soziale Netzwerke. Vor allem im Servicejournalismus ein verborgenes Potential.

Ein Wiesbadener StartUp geht den gedanklichen Schritt und versucht sich mit einem Onlineshop-Konzept im (service)journalistischen Kontext. Die PerfectLife AG baut eine Mischung aus journalistischen Portal und E-Commerce, das lässt zumindest dieser Blogeintrag vermuten:

Hierfür bauen wir ein Online-Portal auf, auf dem sich die Menschen einerseits über neutralen Content und Experten sowie User-Erfahrungen/Erfahrungsgruppen informieren können und andererseits die jeweils passenden Produkte hierfür unter einem Dach finden.

Bislang müssen sich die Menschen, die bspw. ihren Rücken stärken möchten, Expertenrat und User-Erfahrungsberichte überall umständlich im Internet zusammensuchen und dann auch noch die Online-Shops für die für ihn passenden Produkte auffinden und zudem bei unterschiedlichen Anbietern bestellen.

Anders als bei den produktgetriebenen klassischen Online-Shops (wo der Kunde schon wissen muss, was er braucht), denken wir vom Kunden und seinen Bedürfnissen her.

Das ist eine grundlegend neue Herangehensweise an den Verkauf von Aufmerksamkeit und Produkten im Internet. Der Ansatz stellt Inhalteproduzenten, wie E-Commerceler vor die gleichen Herausforderungen – auch wenn sich die Herausforderungen aus der jeweiligen Sicht heraus komplett gegenüber stehen:

  • Wie erstelle ich den passenden Content?
  • Wie organisiere und sortiere ich den bestehenden Content?
  • Wie beschaffe und vermarkte ich die passenden Produkte?

Einen Schritt zurück gedacht, ist das ist mal wieder eines der Themen, wofür sich gerade im lokalen Bereich der Aufbau von branchenbuchähnlichen Modellen irgendwann auszahlen kann. Durch den Kontakt zu kompletten Branchen im lokalen Umfeld, liesen sich viele spannende “inhaltsgetriebene Verkaufs-Unterseiten” entwickeln, die dem Leser wirklich helfen. Nicht zwangsläufig über direkten Produktverkauf aber über sinnvolle Vorauswahl der verfügbaren Anbieter im direkten Umfeld.

Ansätze wie die Hochzeitsseiten der HuffingtonPost, gepaart mit einer sauber sortierten Übersicht themenrelevanter Händler, Gastronomen und Dienstleister, würde vermutlich nicht als Werbung, sondern als Hilfe wahrgenommen: die aufwändige (Anbieter)Suche wäre dem Leser bereits abgenommen.

Am letzten Wochenende habe ich mit Peter Posztos von der Tegernseer Stimme über Online-Lokaljournalimus und die Zukunft nachgedacht. Herausgekommen ist eine spannende Selbstkritik, die das Thema von einer etwas anderen Seite betrachtet. Nicht nur aus Sicht des Geschäftsmodells (der Originalartikel läuft auf  [x Politics] – ein Politblog, den ich gemeinsam mit Jochen Krisch von excitingcommerce.de betreibe):

Wir berichten nunmehr seit knapp zwei Jahren online über das Tegernseer Tal. Doch das Angebot der Tegernseer Stimme gibt es in ähnlicher Form auch in anderen Gebieten Deutschlands. Lokale Onlinemedien, die unabhängigen Journalismus bieten wollen.

Dabei stellen wir uns in letzter Zeit die Frage, wie man sich diese Form von Unabhängigkeit bewahren kann? Und zwar ohne in die Falle aus Verquickungen und Abhängigkeiten zu treten.

Unabhängigkeit ist ein schweres Geschäft. Dabei ist sie wichtig für eine funktionierende Demokratie – auch und gerade im lokalen Umfeld. Doch wie groß ist die Chance, dass “junge Medien” auch über einen längeren Zeitraum gesehen anders in ihrem lokalen Umfeld agieren können, als das tief verwurzelte verlagsgetriebene Zeitungen bisher getan haben?

Tiefe Verwurzelung endet irgendwann im Tunnelblick

Junge und unabhängige Onlinemedien erlauben sich dagegen einen neuen Blickwinkel auf bestehende Themen. Durch unbedarftes Hinterfragen stoßen Netzmedien oft selbst Themen an. Ein schönes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Geschichte zu “Tierquälerei aus Försterhand ist eine Schand’ fürs Bayernland“. In der traditionellen Zeitung wurde die Berichterstattung ausgeklammert. Dass das Thema trotzdem viele beschäftigt, beweisen dagegen über 120 Kommentare innerhalb weniger Tage.

Dabei erscheint das ganze auf den ersten Blick recht klein. Kleine Demo, keine Politiker, die sich mit der Sache solidarisieren oder für Bilder zur Verfügung stehen. Auch der Kreuther Bürgermeister Josef Bierschneider will dazu eigentlich nichts sagen. Vor Ort ist er ebenfalls nicht – Termindruck.

Trotz allem stößt das Thema auf großes Interesse, und das weit über den Landkreis hinaus. Die Kommentare zum Artikel kommen aus dem ganzen Bundesgebiet. Man könnte also sagen ein Aufreger. Einer, der den “Wichtigen” aber scheinbar nicht so Recht ins Konzept passen will.

Umso mehr stellt sich im Nachgang die Frage, warum die alteingesessene Zeitung, immer noch der Meinungsmacher schlechthin im Landkreis, sowohl die Demonstration, wie auch die Berichterstattung über das kritische Thema fast vollständig ignoriert?

Können Medien über Jahrzehnte unabhängig bleiben?

Ist also die jahrzehntelange Zusammenarbeit zwischen lokalen Größen aus Wirtschaft und Vereinen, Politikern, Bürgermeistern und (Chef)redakteuren nicht automatisch durchzogen von persönlichen Interessen, Gefallen und Gegengefallen?

Hat man als Journalist – rein menschlich gesehen – nach zehn Jahren überhaupt noch die Motivation und den Antrieb wirklich alles und jeden in seinem Umfeld journalistisch zu hinterfragen? Wird harte und berechtigte Kritik durch jahrelange Freundschaften nicht ganz automatisch abgeschwächt? Ist die strukturelle Verwobenheit nicht so allumfassend, dass man sich eigentlich eingestehen müsste, schon lange nur noch Unabhängig berichten zu können, bis der Verleger anruft?

Und wenn wir schon dabei sind und die Annahmen stimmen: Wäre es nicht viel logischer, wenn lokale Medien eine viel geringere Halbwertszeit haben? Sagen wir mal – rein hypothetisch – jede Redaktion bliebe nur fünf Jahre im Amt. Ähnlich, der Legislaturperioden. Danach kommen die nächsten. Unvoreingenommen, kritisch, hinterfragend. Dann wäre ein lokales Medium, ob Zeitung oder Zeitung ein wichtiges Korrektiv in der Kommunalpolitik.

Neue Menschen stellen neue Fragen. Die Antworten auf die Fragen und das eigene Handeln müsste immer wieder neu überdacht werden. Sicher, der Ansatz hat einige Schwächen. Aber das haben jahrzentelange Hofberichterstattung getrieben von wirtschaftlichen Interessen und Freundschaftsdiensten auch.

Was lange währt, wird selten gut!

Gerade in lokalen Gebieten können Medien nicht über Jahrzehnte unabhängig sein. Zumindest ist das extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Zu klein ist das Netzwerk aus Politik, Wirtschaft und Journalismus. Zu eng werden die Kontakte zu denen, die man eigentlich jeden Tag aufs neue kritisch hinterfragen muss. Zu faul wird der jeweilige Redakteur, der die meisten Antworten schon lange zu kennen glaubt und manchen Geschichten darum nicht mehr unvoreingenommen hinterher geht. Das ist noch nicht einmal Versagen. Es ist einfach nur menschlich und steckt in der Natur der Sache.

Das Internet bietet uns in der Hinsicht eine große Chance: Die Einstiegshürden in den Journalismus sind gefallen. Wer mit der lokalen Berichterstattung unzufrieden ist, kann sich selbst ans Werk machen. Eine Seite, vielleicht im Rahmen eines Netzwerks, zwischen 10 und 50 Euro Kosten pro Monat und fertig ist die lokale (Netz)Zeitung.

Abgestimmt wird am Ende von den Lesern: Wer den besseren Job macht, hat mehr Leser. Wer die Leser und die lokale Aufmerksamkeit hat, bekommt die Chance auf ein Auskommen, das zum Leben reicht.

Medien sind Teil der Demokratie und deren Basis

Wenn man Medien und die darüber stattfindenen Meinungsäußerungen als wichtigen Teil der Demokratie versteht, muss man auch die Menschen in den Redaktionen als Teil der Demokratie verstehen. Jeder Einzelne sollte also den lokalen Medien mindestens genauso auf die Finger schauen, wie die Medien den Politikern auf die Finger schauen sollten. Die Möglichkeiten dazu sind größer und mächtiger, als sie es jemals waren: Kommentare, Liveberichte, Like-Buttons, Vernetzung der Leser und und und…

Demokratie lebt davon, dass ständig neue Themen und Denkanstöße geprüft, bewertet und diskutiert werden. Mit neuen Themen und Anregungen kann der Politik auf die Sprünge geholfen werden. Zumindest solange die jeweiligen Medien den Biss und den Horizont dazu haben. Falls einer Redaktion irgendwann der Elan ausgeht, wird es Zeit für eine neue Konkurrenz. Ob online oder print ist dabei zweitrangig.

So kann die Debatte um gesellschaftliche Erneuerung dauerhaft am Leben gehalten werden. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für Politik und die Diskussionen darüber.

Mehr zum Thema gibt es auf [x Politics]. Dort geht es um Trends und Bewegungen, die fernab der parteipolitischen Tagesagenda die gesellschaftliche Zukunft gestalten und verändern.

Auch heute wieder, damit die Transparenz gewahrt bleibt: Ich bin Mitgründer der Tegernseer Stimme aber seit einiger Zeit nicht mehr im Tagesgeschäft dabei. Ich stehe aber nach wie vor beratend zur Seite.

*update*
Hier lief vor inzwischen fast einem Jahr schon einmal die Frage, wie der passende Begriff für “Lokalblogs” aussehen müsste. Ich selbst bin mit dem Begriff nach wie vor nicht zufrieden, weil ich ihn für nicht 100% passend halte. Teilweise gibt es erste Versuche das mit “lokale Netzmedien” zu betiteln. Hat jemand bessere Vorschläge?
*update Ende*

Diese Woche dreht sich hier alles um Lokalblogs: langsam aber sicher kommen sie in der Masse an. Das ist schön und wurde Zeit. Daraus ergibt sich aber auch ein wichtiger Punkt:

Wie nennen wir das Kind?

Lokalblog,  Hyperlocal oder noch schlimmer der eingedeutschte HyperloKal-Blog sind für mich nur Arbeitstitel. So wird das in der Masse nicht verstanden. Für zu viele ist ein Blog noch immer ein subjektives Tagebuch und hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun.

Bei mir im Journalismusstudium wurde noch 2006 die Prüfungsfrage gestellt: “Weblogs: Klowände des Internet?” - Das sagt doch alles. Und das haben sich Professoren ausgedacht, die Journalismus lehren. Dass sie sich die Frage gerade bei Jean-Remy von Matt abgekupfert haben, macht die Sache nur noch schlimmer.

Um das Thema in der Masse zu platzieren, braucht es einen griffigen Begriff. Mir ist noch keiner eingefallen. Jemand Ideen?

Die Entwicklung im Markt der Lokalblogs oder besser gesagt lokaler journalistischer Netzmedien, ist mit das Spannendste, was der Medienmarkt zur Zeit zu bieten hat. Ganz subjektiv beobachtet ist der Beweis bereits da, dass sich daraus ein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt hat. Die Ansätze haben aus vielerlei Gründen das Potential eine richtig große Sache zu werden:

1. Lokalblogs nutzen die natürlichen Möglichkeiten des Internet

Ohne lästige Altlasten wird Journalismus dort einfach neu gemacht. Was großen Verlagen strukturbedingt einige Probleme bereitet, ist für lokale journalistische StartUps schlichtweg kein Thema: Die Einbindung von Videos, links auf andere Angebote, die tiefe Integration und Arbeit mit facebook und Co., die Arbeit mit den Lesern über Kommentare und und und… Das Internet ist die Grundlage für alles.

2. Es werden flexible Netzwerk-Unternehmen aufgebaut. Keine Konzerne

Auch wirtschaftlich gesehen, haben lokale Netzmedien eine riesige Chance: schlanke Strukturen von Start weg. Meistens organisiert als Netzwerkunternehmen, die auf verschiedene Partner ohne feste Strukturen zurückgreifen. Neue Erlösmodelle können dadurch auch in Zukunft schnell und flexibel umgesetzt werden (die finanziellen Mittel vorausgesetzt). Die Unternehmen brauchen so gut wie keine feste Infrastruktur (außer dem Netz). Keine Druckerpressen, keine Zusteller, keine Verwaltung. Manche nicht mal mehr ein festes Büro.

3. Ein Lokalblog sucht nach Auskommen für eine Handvoll Menschen

Wenn man sich dem Thema realistisch nähert und nicht nach dem neuen Axel Springer sucht, wird auch die Diskussion um die Finanzierbarkeit sehr viel realistischer. Eigentlich ist die Diskussion dann überhaupt keine mehr: Lokale Netzmedien sind nichts anderes als der Bäcker, der Schreiner oder der Einzelhändler vor Ort. Kleine Unternehmen in lokalen Gebieten. Journalismus das Produkt.

Schlank aufgebaut arbeiten professionelle Lokalblogs momentan mit etwa 2-4 Vollzeitstellen. Je nach Gebiet. Nach 12-18 Monaten erwirtschaften die ersten Lokalblogs bereits heute rund 5.000 Euro Monatsumsatz. Online. Das reicht noch nicht aber es zeigt deutlich die Richtung.

4. Der Status Quo: 5000 Euro Monatsumsatz mit einem Erlösmodell

Wenn man sich anschaut, wie die Umsätze bisher erwirtschaftet werden, versteht man, dass das Ziel – wirtschaftlich tragfähig arbeiten – nicht mehr weit weg ist:

Das Beispiel Tegernseer Stimme: die Onlineumsätze belaufen sich auf rund 4.000 Euro. Erwirtschaftet durch feste Kooperationen mit nicht einmal zehn Partnern – in einem Gebiet von 15.000 Menschen und mehreren hundert Unternehmern, Händlern, Handwerkern, Friseuren, Anwälten, Steuerberatern. Gestartet ist die Seite vor 20 Monaten. Aktiv vermarktet wird seit etwa 9 Monaten.

Das Beispiel Meine Südstadt aus Köln: Inzwischen werden dort über 5.000 Euro monatlich mit einem Branchenbuch und etwas mehr als 100 Unternehmen erwirtschaftet. Alles feste Partner. In einem Gebiet mit 27.000 Einwohnern und dementsprechend vielen Unternehmen. Es gab auf Meine Südstadt bisher keine klassische Werbung. Die Macher haben sich zum Start auf das Branchenbuch als Erlösmodell konzentriert. Gestartet ebenfalls vor 20 Monaten. Die ersten 100 Branchenbuch-Partner in 18 Monaten.

5. Das Problem und die Lösung: Investitionen in Vertrieb und Marketing

Der Grund für die noch zu geringen Umsätze liegt im Vertrieb und dem Marketing gegenüber den Werbepartnern. Keiner der beiden Blogs hat die Manpower mehrere Erlösmodelle parallel aufzubauen – das bremst die Entwicklung. Beide gehen aber bereits das jeweils andere Modell an: Die Tegernseer Stimme baut bereits ein Branchenbuch auf und Meine Südstadt zeigt erste zaghafte Werbung auf der Startseite.

Mit einer einfachen Rechnung (und einer zugegeben positiven Prognose) findet die Tegernseer Stimme bis Ende 2012 ebenfalls hundert Unternehmen für ein Branchenbuch. Meine Südstadt zehn Partner für fest Werbeeinbindungen. Et Voilà: 10.000 Euro Monatsumsatz. Onlineumsatz. Keine Kosten für Druck, Verteilung, Auflage. Das reicht für drei Leute. Nicht fett aber es reicht.

6. Die Headline Ende 2012: Die ersten Lokalblogs arbeiten profitabel!

Das ist zumindest die Headline, die bis Ende des Jahres zu erwarten ist. Welche Headline auch 2012 nicht geschrieben werden wird: Die ersten Lokalblogs knacken die 1.000.000 Euro. Das müssen Sie aber auch nicht. Lokalblogs bieten vielmehr die Chance, dass sich viele hunderte oder gar tausende neue publizistische Einheiten in Deutschland bilden können.  Kleine Unternehmen, die kleine Gebiete mit guten und spannenden Nachrichten, Geschichten und Informationen versorgen. Eine spannende Demokratisierung des Zeitungsmarktes. Das Aufbrechen bestehender Monopole.

7. Die möglichen Erlösmodelle sind noch nicht ansatzweise ausgeschöpft

Die noch sehr junge Entwicklung muss man aber vor allem unter dem Aspekt der bisher umgesetzten Erlösmodelle betrachten: Innovationen sind da noch nicht dabei. Bisher wurde nur online übertragen, was in Print schon immer funktioniert hat: Der Tausch von Aufmerksamkeit gegen (Werbe)Gelder.

Was sich parallel entwickelt sind starke lokale Communities. Das Potential, das sich daraus entwickelt, kann bisher noch niemand endgültig abschätzen: Veranstaltungen, Shoppingparties, Zugang zur Community für externe Partner, kleinlokale Groupons, Paid Content Angebote, Marktumfragen, …

8. Vernetzung öffnet nationale Budgets für lokalen (online)Werbemarkt

Wenn es gelingt Lokalblogs flächendeckend in Netzwerken zu organisieren steht auch Tür und Tor für nationale Werbebudgets offen. Wenn ich die Wahl habe, ob ich Millionen auf SPON erreiche oder die gleichen Menschen über tausende Lokalblogs – ich müsste nicht überlegen. Ich ginge dahin, wo die Menschen leben (und meine Filialen stehen).

9. Was da gerade passiert, ist mehr als nur die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle

Die Entwicklung, die gerade unter der Wahrnehmungsgrenze vieler Verlage abläuft, hat das Potential zu einer ganz großen Geschichte:: Der lokale Zeitungsmarkt bricht auf. Sowohl wirtschaftlich, wie auch inhaltlich. Auf Lokalblogs entwickeln sich neue Diskussionen zu neuen Themen. Nebenbei entwickelt sich dadurch eine neue Art Journalismus. Bodenständig und direkt bei den Menschen vor der Haustüre. Jeder darf mitsprechen. Lokalblogger sind Netzmenschen. Es geht um Transparenz, Urheberrechtsdebatten, Liveberichte aus Gemeinderatssitzungen, Rückmeldung aus Leserkommentaren.

Lokalblogs bringen das Netz und die Netzpolitik auf die lokale Ebene. Sie sind oft der erste direkte (digitale)Rückkanal der Bürger, mit dem sich lokale Eliten und Politiker konfrontiert sehen. Lokalblogs haben das Zeug dazu, die Themen des Netzes in die reale Welt zu tragen. Viel mehr als digitale Interessengruppen, Vereine und Co. es in den letzten Jahren geschafft haben. Was sich daraus entwickelt? Keine Ahnung…

Sharing: Fluch und Segen der Medienbranche

von Steffen Greschner am 25. Januar 2012 · 115 Kommentare

Ich habe bei Marcel Weiß heute einen Verweiß auf einen Artikel gelesen, der sehr zum Nachdenken anregt. Felix Salmon beschreibt “How sharing disrupts media“:

Journalists, I find, tend to come quite late to sites like Tumblr and Pinterest. For one thing, those sites are overwhelmingly visual: images nearly always do much better than words. And more generally, journalists are much better at writing than they are at reading — which means that they’re really bad at seeing the value added by curating and reblogging.
(..)
Facebook and Google have become two of the biggest media companies in the world in extremely short amounts of time, precisely because they don’t have much interest in owning any content.Rupert Murdoch looks at Google and sees a pirate because he does everything: he both creates content (think 20th Century Fox), and also distributes it (think Sky TV). It’s a world of iron-clad contracts and tight control. While the social, digital world is one where the biggest media companies have a much lighter touch, and where the content creators with the broadest reach will be the ones who care the least about protecting their copyrights.
(..)
I suspect that we’re only in the very early days of seeing how this is going to disrupt just about every media organization built on the idea of hosting a website and selling ads, including highly socially-attuned ones like the Huffington Post. HuffPo is built on the idea that when stories are shared on Twitter or Facebook, that will drive traffic back to huffingtonpost.com, where it can then monetize that traffic by selling it to advertisers. But in future, the most viral stories are going to have a life of their own, being shared across many different platforms and being read by people who will never visit the original site on which they were published.

Klar ist, dass wir gerade erst am Anfang stehen. Auch klar ist, dass Google, Facebook, Tumblr, Pinterest und Co. auf Inhalte angewiesen sind – ohne Inhalt gibt es schlicht nichts zu verbreiten. Die Frage ist, wie man dem Ersten der Wertschöpfungskette, dem Produzenten des Inhaltes, auch in Zukunft einen Teil vom Kuchen zukommen lassen kann.

Was Medienhäuser vom “HuffPo-Labor” lernen können

von Steffen Greschner am 23. Januar 2012 · 159 Kommentare

Wann die Huffington Post zu uns kommt, ist noch nicht sicher. Dass sie kommt, scheint klar. Manchem Verleger ist dagegen scheinbar noch immer nicht klar, was das Konzept der HuffPo genau bezweckt.  Reflexartig wird alles mit “Aggregator” kleingeredet.

Und trotzdem tut die Huffington Post genau das, was die meisten deutschen Verlagshäuser viel Zeit, Geld und vor allem Reichweite kostet: Links setzen, wo es Sinn macht. Selbst schreiben, wo man es besser kann.

Ob auf Blogs oder andere Nachrichtenseiten verlinkt wird, ist dabei eigentlich egal. Die Huffington Post erzeugt Reichweite, weil sie nicht im klassischen Konkurrenzdenken Inhalte ausschließt. Wer gute Inhalte bietet, bekommt von der Huffington Post Leser.

Gegenüber Meedia hat Arianna Huffington den Ansatz nochmal klar gestellt:

Der Punkt ist aber: Selbst wenn ich ein unbegrenztes Budget hätte, um unendlich viele originäre Geschichten zu produzieren, würde ich immer noch andere Inhalte aggregieren. Denn es gibt ja großartige Geschichten überall. Unser Ziel ist es, unseren Lesern den Zugang zu den besten Inhalten zu verschaffen.

Das ist der Ansatz und das ist auch der Grund, warum sich die Diskussionen um den “starken deutschen Medienmarkt” selbst ad absurdum führen: Ein Konzept, wie das der Huffington Post funktioniert am besten in einem starken Markt. Je mehr gute Inhalte verfügbar – oder besser gesagt verlinkbar – sind, desto mehr kann sich die eigene Redaktion auf neue Themen konzentrieren und eigene Akzente setzen.

Arianne Huffington sieht die Chance für die Verlagspartner übrigens darin, dass sie die Huffington Post als Labor begreifen. El Pais, Le Monde und L’Espresso haben das bereits begriffen. Wer wohl der deutsche Partner wird?

Tegernseer Stimme: feste Partner statt TKP-Werbung

von Steffen Greschner am 22. Januar 2012 · 273 Kommentare

Nachdem istlokal.de Ende letztes Jahr das “Betriebssystem für Lokaljournalismus” vorgestellt hatte, wurden inzwischen die ersten Blogs auf das neue Layout umgestellt. Sowohl die Blogs des Rheinneckarblog-Netzwerkes, wie auch die Tegernseer Stimme haben in den letzten Wochen das neue Design übernommen und in diesem Zuge auch die möglichen Werbeformen und Werbeplätze vereinheitlicht.

Bereits im Dezember hatte die Tegernseer Stimme einen ersten Test für feste “Premium-Werbepartner” erfolgreich beendet:

“Man muss neue Wege suchen, entwickeln und gehen”, sagt der Unternehmer Peter Posztos. Sein “Top-Sponsoren”-Programm war innerhalb von zwei Monaten verkauft: “Sieben Top-Sponsoren sind ständig präsent auf der Seite, dazu kommen die Partner sowie einzelne Werbeschaltungen.” Durch feste Budgets ist die geschäftliche Kalkulation sehr viel sicherer, planbarer und effizient.

Wie Peter Posztos gegenüber dem netzleser bestätigt, liegt der Grund für die Weiterentwicklung von “Partnerprogrammen” vor allem im Vertrieb begründet. Bei den meisten Programmen handelt es sich um Jahresbudgets, die für verschiedene Einbindungen gezahlt werden. Der Aufwand im Vertrieb kann so deutlich reduziert werden:

Premium-Partner-Integration im Header der Tegernseer Stimme

Premium-Partner-Integration im Header der Tegernseer Stimme

Spannend ist, dass inzwischen auch bei den istlokal-Blogs (neben klassischer Werbung) auf Branchenbuchmodelle als Erlösmodell gesetzt wird. Ähnlich dem klassischen Branchenbuch werden Unternehmen mit Artikeln, Bild und Infotexten präsentiert und so längerfristig an die Angebote gebunden:

 

Ähnliche Ansätze verfolgen inzwischen einige Lokalblogs. Vorreiter war wohl Meine Südstadt, die in den ersten 20 Monaten über 100 zahlende Partner gewinnen konnten. Auch die Prenzlauer Berg Nachrichten testen Partner-Programme.

Wer sich die Entwicklung der Tegernseer Stimme “live” anschauen möchte, hat dazu am 1. Februar die Chance. Auf Einladung des Bayerischen Journalisten Verbandes wird Gründer Peter Posztos in München auch über die Vermarktung sprechen.

Ich schreibe es immer dazu und so auch dieses Mal: Ich bin Mitgründer der Tegernseer Stimme aber seit einiger Zeit nicht mehr im Tagesgeschäft dabei. Ich stehe aber nach wie vor beratend zur Seite.

facebook Open Graph: News-Seiten und soziale Filter

von Steffen Greschner am 18. Januar 2012 · 228 Kommentare

Nachdem die meisten Zeitungen inzwischen Facebook-Fan-Pages für sich erkannt haben und damit stellenweise auch sehr gut arbeiten, fragt sich, wann die ersten Onlinemedien das wirkliche Potential in der Anbindung an Facebook erkennen. Durch Facebook-Logins ließen sich viele Nachrichtenseiten sehr viel besser “sozial filtern”, was einige neue Chancen bringt, die bisher vor allem im eCommerce Kontext diskutiert werden:

Der Open Graph gibt die Möglichkeit, von der eigenen Webseite bzw. dem Webshop auf die Daten des Nutzers zuzugreifen. Hierzu gehören auch die Freunde des Nutzers. Hierdurch werden im Kontext des eCommerce neue, soziale Funktionen im Webshop möglich.

Gerade die sozialen Filtermöglichkeiten eröffnen komplett neue Funktionsweisen:

Alternativ oder zusätzlich kann der open graph auch für einen sozialen Filter eingesetzt werden. Sortiert der Shop z.B. die Produkte nach Bewertungen, kann dieser Auswahlmechanismus über den open graph deutlich verbessert werden; hierzu greift der Webshop dann über die open graph API auf die Freunde des Nutzer zu uns nimmt die Freundesbeziehungen als zusätzliches Relevanzkriterium auf. Es können also angezeigt werden: “Diese Produkte haben Deine Freunde bei uns gekauft / empfohlen”.

Nachrichtenseiten könnten beispielsweise nach den News-Präferenzen des Freundeskreises der Leser filtern oder die beliebtesten News der letzten Tage anbieten. Spannender wird die Verknüpfung allerdings bei Zusatzangeboten, wie Veranstaltungshinweisen oder angebundenen Branchenbüchern und Gastronomieführern: Auf einen Blick könnte der Leser sehen, wer aus seinem Umfeld an Veranstaltungen teilnimmt oder welchen Händler oder Gastronomen Freunde und Bekannte bevorzugen.

Unabhängige Communities auf eigener technischer Basis werden es im Kampf gegen Facebook schwer haben. Die angebotenen Schnittstellen zu bestehenden Netzwerken zu nutzen, bietet aber viel Potential, die eigene Community auf- und auszubauen. Die Daten sind da, sie müssen nur richtig und sinnvoll genutzt werden.

Eine spannende Präsentation zu dem Thema (im eCommerce-Kontext) haben Jochen Krisch und Dr Andreas Bersch zusammengestellt: