Schweizer TagesWoche: Vorbild für regionale StartUps?

von Steffen Greschner am 6. Dezember 2011 · 356 Kommentare

Die Schweizer Neue Medien Basel Ag ist mit dem Medien-StartUp TagesWoche seit einigen Wochen in der Betaphase live. Das Konzept klingt gut und umfasst sowohl Community-Aspekte, wie auch neue Herangehensweisen:

Die TagesWoche ist die neue Stimme aus Basel. Sie redet mit und gibt zu reden, sie lässt Leserinnen und Leser mitreden. Die TagesWoche setzt Themen, nimmt Themen auf, ist unüberhörbar.

Die Redaktion überrascht täglich online auf tageswoche.ch und liefert in der Wochenzeitung «TagesWoche» jeden Freitag zusätzliche Neuigkeiten, Hintergründe, Reportagen, Interviews, Analysen, Kommentare und Kolumnen.

Man merkt dem Projekt an, dass mit Leuten wie Peter Sennhauser (ehemals Chefredakteur bei Blogwerk, netzwertig & Co.) und David Bauer einige echte Vollblut-Onliner mit an Bord sind. Spannend ist vor allem, dass man bei der Tageswoche von Start weg keine redaktionelle Trennung zwischen Online und Print vornimmt. Außerdem hat man sich einige sehr clevere Verknüpfungen zwischen On- und Offline ausgedacht:

Damit die Verbindung von Wochenzeitung und Online funktioniert, müssen die beiden Welten direkt verbunden sein. Bei jedem Artikel in der Zeitung steht darum ein Webcode, mit dem Sie den Artikel direkt im Browser aufrufen, kommentieren und weiterleiten können. Umgekehrt finden Inhalte aus dem Netz den Weg in die Zeitung. Diskus­sionen auf tageswoche.ch, auf Facebook und bei Twitter dienen der Redaktion als Anregung für Geschichten und als Korrektiv für unsere Arbeit. Kommentare und Lesermeinungen werden wir regelmässig und an pro­minenter Stelle in der TagesWoche abdrucken.

Besonders gut gefällt mir die Umsetzung, die “Rückseiten” von Artikeln anzuzeigen. Exakt über diesen Punkt habe ich in den letzten Jahren mit verschiedenen Gründern und Journalisten gesprochen und sehe die verschiedenen Gedanken und Ideen bei der TagesWoche schön umgesetzt:

Guter Journalismus ist transparent. Jeder Artikel auf tageswoche.ch verfügt deshalb über eine «Rückseite» mit Informationen zur Entstehung des Artikels: Wer hat wie daran mitgearbeitet? Über welche Themen haben die Autoren in der Vergangenheit geschrieben? Welche Quellen wurden verwendet, welche Dokumente? Wann wurde der Artikel erstmals veröffentlicht und welche Änderungen wurden seitdem vorgenommen?

Ob und wie sich das ganze wirtschaftlich trägt, werde ich mir in einiger Zeit anschauen. Für die Finanzierung ist durch die Levedo-Stiftung “für die nächsten Jahre gesorgt”. Das Konzept könnte sowohl vom redaktionellen Aufbau, wie auch von der Umsetzung einiger Ideen und Community-Elemente durchaus als Modell für weitere Regionale Nachrichtenseiten dienen.

US-Lokalblogs denken Branchenbuch-Community weiter

von Steffen Greschner am 6. Dezember 2011 · 2 Kommentare

In den Staaten wird nicht nur das Branchenbuch als Erlösquelle für Regionale Medien erkannt, sondern auch kräftig weiterentwickelt. ShopCity.com bietet eine technische Lösung, mit der sich regionale Medien zusätzlich zu den journalistischen Angeboten als technischer Dienstleister für den lokalen Einzelhandel positionieren können:

Bei ShopCity entstehen nicht nur reine Branchenbücher, sondern lokale Shopping-Communities, wie The Batavian, eine der erfolgreichsten lokalen Nachrichtenseiten der USA zum Start von ShopBatavia schreibt:

ShopBatavia.com isn’t just another “hope they find us” business directory with nothing more than a picture and a few words about your business. With ShopBatavia.com merchants can actually sell online, offer specials, discounts, coupons, daily deals, product information, set up newsletters for direct marketing, integrate with Facebook and Twitter, answer customer questions and do it all in an environment that is professional and backed by same-day phone support.

ShopBatavia.com is bolstered by the marketing power of The Batavian, with its thousands of daily local readers and thousands of Facebook fans.

With powerful reporting tools, you won’t have to guess if ShopBatavia.com is working for you. You will know it’s working for you.

Why will local shoppers love Shop Batavia?

Because for the first time, they’re going to be able to shop online at dozens of locally owned businesses and either arrange in-store pick up or have the items shipped directly to their homes.

Über die Designs der Shops lässt sich streiten. Ich bin aber generell nur selten Fan von US-Seiten. Der Gedanke der hinter dem ShopCity Konzept steht ist aber logisch und gibt regionalen Netzmedien die Chance den Lesern einen echten Bonus neben der rein journalistischen Nachricht zu bieten und damit auch den lokalen Einzelhandel zu unterstützen.

Die Preise für lokale Einzelhändler liegen, je nach Modell zwischen 50 und 100 Dollar pro Monat und sind damit auch für kleine Händler attraktiv. Basispakete sind kostenlos nutzbar.

Manchmal ist es einfach enttäuschend, wie rückwärtsgewandt Verlage neue Konzepte anpassen und damit kaputt machen. Bestes Beispiel sind die Kaufdown und Reiseauktionen, die immer wieder bei allen möglichen Verlagen angeboten werden. Vor einigen Tagen hat auch Axel Springer im Abendblatt und der Morgenpost den Weinachts-Kaufdown gestartet:

In der Vorweihnachtszeit machen die Online-Angebote von BERLINER MORGENPOST und HAMBURGER ABENDBLATT ihren Besuchern mit dem Rückwärts-Auktionsformat „Kaufdown“ ein ganz besonderes Angebot.

Vom 1. bis 22. Dezember 2011 können Nutzer auf morgenpost.de und abendblatt.de täglich wechselnde Artikel zu günstigen Sparpreisen ersteigern. Unter den Angeboten finden sich im Aktionszeitraum Gutscheine, Markenprodukte, Karten für Veranstaltungen oder Reisen. Jeden Tag wird ein einzelnes Produkt in begrenzter Stückzahl angeboten.

Was auf den ersten Blick aussieht wie der Versuch online verschiedene Erlösmodelle zu testen, ist auf den zweiten Blick nichts anderes als eine langweilige Masche, die Print-Restplätze an den Mann zu bringen. Gefangen im Print-Denken sind die Online-Auktionen der meisten Verlage nichts anderes als Abverkaufsaktionen der Anzeigenabteilung. In den AGB zu den Springer Kaufdowns (100% Tochter Ullstein) steht das ganz deutlich:

Der Anzeigenkunde (nachfolgend “Partner”) hat die Möglichkeit, seine Waren und/oder Leistungen in Kooperation mit der Ullstein GmbH im Rahmen der Online-Auktion zum Kauf anzubieten. Wird ein Kaufvertrag zwischen Partner und einem Bieter geschlossen und geht der Kaufpreis auf einem Konto der Ullstein GmbH ein, kommt parallel ein Anzeigenvertrag zwischen der Ullstein GmbH und dem Partner zustande.
(..)
Die Ullstein GmbH und Partner schließen unter den aufschiebenden Bedingungen a) des Zustandekommens eines wirksamen Kaufvertrages zwischen Partner und Erstbietendem sowie b) Zahlungseingang des jeweiligen Kaufpreises einen Vertrag über Anzeigenvolumen in der Berliner Morgenpost im Gegenwert des Ladenpreises netto (d.h. ohne MwSt.) der verkauften Ware/Leistung.
Für diesen Gegenwert gilt die jeweils gültige Anzeigenpreisliste der Ullstein GmbH.

Im Klartext heißt das: Die Kaufdown-Aktionen dienen einzig und alleine dazu (Rest)Werbeplätze zu verkaufen. Der Kaufdown-Partner bekommt Medialeistung (nach Preisliste) im Wert des UVP und Springer bekommt dafür das Geld, das bei Kaufdown eingenommen wird. Das einzig Positive: Durch die Online-Auktionen entstehen Kooperationen. Die Springer Kaufdowns basieren zum Beispiel auf dem System der sueddeutsche.de.

Von einem anderen Dienstleister aber absolut identisch, funktionieren auch alle anderen Auktionen, die von Verlagen durchgeführt werden. Egal ob die Auktionen auf Zeit.de, im Tagesspiegel oder beim Rest. Der Dienstleister erklärt das Modell so:

Der Reiz für den Kunden bleibt so natürlich auf der Strecke und ist auch zu keiner Zeit beabsichtigt. Ziel der Angebote ist schließlich nicht dem Leser attraktive Angebote anzubieten, sondern für die Anzeigenabteilung die Werbepartner zu finden, die innerhalb der nächsten sechs Monate in der Printausgabe Werbeplätze damit einkaufen.

Als Test für neue Modelle taugt das nicht. Und mit dieser Herangehensweise wird online nicht nur Potential verschenkt, sondern es wird – was noch schlimmer ist – nicht einmal ernsthaft der Versuch gestartet, sich online neue Märkte und Möglichkeiten zu erschließen.

Das Dilemma der Verlage: Institutionen schränken ein

von Steffen Greschner am 5. Dezember 2011 · 112 Kommentare

Marcel Weiß von Neunetz hat eine Analyse zu Problemen in und durch Institutionen geschrieben. Der Schwerpunkt liegt auf Verlagen der Musik- und Presse-Industrie. Die Kernaussage: Institutionen schränken ein.

Wenn Institutionen ihren eigenen Aufgabenfelder neu definieren sollen, wenn sie ihre Prozesse, also ihr Wesen, umformen sollen, müssen sie nicht nur ihre Komfortzone verlassen: In der Regel sind sie so wenig darauf vorbereitet, dass sie gar nicht dazu in der Lage sind.

Wir können das aktuell bei der Tonträgerindustrie und bei der Presse beobachten. Die wenigsten Vertreter dieser Branchen legen vorbildhafte Transformationen hin.

In der Organisationstheorie gibt es es eine Richtung*, die davon ausgeht, dass auch Organisationen ein Lebensalter haben. Je älter eine Organisation, desto schwieriger fallen ihre organisationale Veränderungen. Ihre Strukturen verkrusten sozusagen.

Presseverlage gehören oft zu den ältesten Unternehmen hierzulande. Die Tonträgerindustrie hatte ihr Geschäftsmodell seit den 50er Jahren. Die Presse ihres seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Prozesse richten sich logischerweise nach dem zugrundeliegenden Geschäftsmodell.

Die Strukturen verkrusten. Mehr noch: In diesen Institutionen gibt es keinen, der die Aufgabe – das Nachrichtengeschäft, die Verbreitung von Musik – jemals anders erledigt hätte, als es die Institution kennt: Es gibt nur diesen einen Weg! So haben wir das immer schon gemacht. Da könnte ja jeder kommen.

Das der Punkt absolut richtig ist, zeigt die Behäbigkeit, mit der viele auf die neuen Herausforderungen reagieren, bzw. versuchen diese zu ignorieren und an bestehenden Modellen festzuhalten.

Man kann das entweder kritisch begleiten oder sich einfach freuen, dass dadurch Spielraum für neue Ansätze, Ideen und Geschäftsmodell entsteht.

Lokalblogs bieten Volontariat zum Unternehmerjournalist

von Steffen Greschner am 4. Dezember 2011 · 107 Kommentare

Mit welchem Nachdruck man bei istlokal.de die Neugründung angeht ist beachtlich. Die Unternehmung, die gemeinsam vom Rheinneckarblog-Netzwerk (Heddesheimblog) und der Tegernseerstimme gestartet wurde, bietet für den 1. März ein 18-monatiges Volontariat an:

Neben der journalistischen Ausbildung, die über Kooperationen auch in einem Radiosender, einer großen Zeitung und einem Berliner Blog stattfinden soll, wird vor allem auf die Ausbildung zum selbstständigen  ”Unternehmerjournalisten” Wert gelegt:

  • ein moderner Journalismus
  • die Zusammenarbeit mit erfahrenen Kollegen
  • eine solide Ausbildung in journalistischen Formen, Recherche, Recht
  • die betriebswirtschaftliche Schulung für Unternehmerjournalismus
  • eine attraktive überbetriebliche Ausbildung in anderen Redaktionen

Das Ziel ist Klar: istlokal.de will ein (Vermarktungs)Netzwerk aus regionalen Netzmedien aufbauen und bildet sich dazu die eigenen Leute aus. Man macht daraus auch kein Geheimnis:

Im Anschluss haben Sie die Möglichkeit, Leitungsfunktionen zu übernehmen oder selbst unternehmerisch mit einer Lokalzeitung und unserer Unterstützung tätig zu werden.

Das Volontariat soll “knapp unterhalb des Tarifs” bezahlt werden.

Peter Posztos von der Tegernseer Stimme hat gestern Abend ein interessantes Interview bei Radio Alpenwelle gegeben. Im Interview geht er auch auf die Fragen nach Umsatz und redaktioneller Arbeitsweise der Tegernseer Stimme ein.

Zusammengefasst sieht das so aus:

  • 10 Mitarbeiter haben mit dem Projekt zu tun haben. Darunter fallen nicht nur redaktionelle Mitarbeiter, sondern auch Grafiker für das Printmagazin, Video-Produzenten usw. – Ein Netzwerk, das auf Abruf und aufwandsbasiert ohne feste monatliche Bezüge arbeitet.
  • Anonyme Kommentare sind Teil des Redaktionskonzeptes. Das ist zwar viel (Lösch- und Moderations-)Arbeit, wird aber als wichtig für Informationsfluss und Rechercheansätze gesehen.
  • Die Printausgabe hat hat für den Zugang zu Werbepartnern sehr gut funktioniert, die Konvertierung von Print- zu Online-Lesern war dagegen enttäuschend.
  • Das Printmagazin bringt etwa 60-70% des Umsatzes.
  • Etwa 35% der täglichen Leser kommen über Facebook.

Der komplette Mitschnitt kann hier nachgehört werden:

Listen to

Die taz tastet sich an Online & Print Zusammenlegung ran

von Steffen Greschner am 1. Dezember 2011 · 183 Kommentare

Nicht mit der Konsequenz der NZZ (Forcierter Kulturwandel) aber einen ersten Schritt, irgendwann nicht mehr zwischen Online- und Print-Journalismus zu unterscheiden, geht jetzt auch die taz:

Print- und Online-CvDs werden zusammen gelegt und künftig im Online-Ressort angesiedelt sein. So sollen aus einer Hand die Produktionsaufgaben für beide Publikationswege gebündelt und optimiert werden, Dynamiken, die sich im Netz entwickeln, sollen damit schneller auch für die gedruckte taz aufbereitet werden. Das zusammengelegte Ressort wird weiter von Online-Chef Matthias Urbach geleitet.

Ob die Trennung zwischen Online und Print überhaupt jemals Sinn gemacht hat? Bei der taz ist man zumindest zuversichtlich, für die (digitale) Zukunft gut aufgestellt zu sein. Zwei gute Jahre in Folge geben ein wenig Luft zum Atmen:

Vor dem Hintergrund wachsender Unsicherheit gerade im Markt der Printmedien sieht sich die taz damit gut auf die voranschreitenden technischen und journalistischen Neuerungen vorbereitet. Die Redaktion kann somit ohne Kostendruck und Gefahr von Stellenabbau Abläufe und journalistische Schwerpunktsetzungen verändern. “Wir haben die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren und nach kreativen Lösungen zu suchen, ohne mit dem Rücken an der Wand zu stehen”, sagt Pohl, “eine sehr komfortable Lage, wenn man auf andere Häuser blickt.”

Selbst die taz als eine der ersten Tageszeitungen, die überhaupt online verfügbar war, hält aber immer noch an gewohnten Strukturen fest: Online ist im taz-Selbstverständnis eine Unterredaktion. So wie Lokales oder Sport. So teilt man auch im Redaktionsstatut die Redakteure ein:

(..)Alle übrigen fest angestellten RedakteurInnen und PauschalistInnen sind einem Ressort zuzuordnen. Regional-, Lokal-, Online- oder sonstige Unterredaktionen sind Ressorts im Sinne des Redaktionsstatuts.

Spannend, wie lange es noch braucht, bis noch mehr auf den Trichter kommen, mit dem “Testen von neuen Möglichkeiten” anzufangen. Die gedankliche Lösung vom Prinzip getrennter Online- und Print-Redaktionen kann dabei ein erster und wichtiger Schritt sein.

MeineSüdstadt.de finanziert sich mit Branchenbuch

von Steffen Greschner am 30. November 2011 · 145 Kommentare

Meine Südstadt ist ein weiterer lokaler Blog, der sich als echtes StartUp versteht und professionell für die Kölner Südstadt berichtet. Mit rund 3.000 uniquen Besuchern pro Tag, gehört Meine Südstadt 18 Monate nach Start zu den mittleren bis größeren deutschen Lokalblogs (PM als PDF).

Angefangen hat alles mit den drei Gründern Tamara Soliz, Dirk Gebhardt und Andreas Moll. Die drei Freunde hatten 2009 die fixe Idee, dass es für ihren Stadtteil endlich ein echtes Online-Forum geben müsse  - mit Nachrichten, Reportagen, Terminenkalender und einem Branchenteil, der alle Geschäfte und Einrichtungen umfasst.

Meine Südstadt ist vermarktungsseitig einen interessanten Weg gegangen, der relativ schnell die laufenden Kosten deckte und inzwischen monatlich rund 5.000 Euro in die Kassen bringt – OHNE Werbung im eigentlichen Sinne!

Branchenbuch-Modell in spannender Umsetzung

Bei Meine Südstadt hat man von Start weg auf das klassische Branchenbuchmodell als Erlösquelle gesetzt: “wir wollen den lokalen Einzelhandel unterstützen”, sagt Dirk Gebhardt, “und dafür müssen die Leute erstmal wissen, was es in Ihrer Umgebung gibt.”

50 Euro kostet ein Branchenbucheintrag bei MeineSüdstadt monatlich. Rund 100 Partner konnten die Gründer bisher von dem Modell überzeugen. Dafür wird der Einzelhändler mit Foto und einem Kurzportrait auf einer SEO-optimierten Unterseite präsentiert:

Auf klassische Bannerwerbung haben die Gründer bisher verzichtet. Zuerst will man weitere feste Partner finden. Erst im nächsten Schritt wird den festen Partnern auch die Möglichkeit angeboten, auf Meine Südstadt mit klassischen Online-Bannern zu werben.

Der Branchenbuch-Gedanke ist nicht neu. In Verbindung mit Lokalblogs aber seine sehr charmante Herangehensweise: Gerade für die Startphase ergibt sich so die Chance, auf feste monatliche Umsätze zu kommen, mit denen man die Seite weiter entwickeln oder Freie bezahlen kann. Außerdem wird ein Partner mit einer derart tiefen Einbindung nicht so schnell wieder abspringen.

Lokalblogs sind keine Zeitungen, sondern Communities

Wenn man Lokalblogs nicht als klassische Zeitung, sondern viel mehr als lokale Community begreift ergeben sich aus engen Partnerschaften mit lokalen Einzelhändlern und Handwerkern auf der einen und treuen und engagierten lokalen Lesern auf der anderen Seite viele neue Möglichkeiten Umsätze zu generieren.

Der führende E-Commerce- Branchenblog Exciting Commerce hatte vor einiger Zeit die Frage gestellt:

Wer testet den Online-Markt für Shopping Parties?
Das Thema “Shopping Parties” in seinen mannigfaltigen Ausprägungen sehen wir als eines der großen Zukunftsfelder für den neuen E-Commerce.

Ein extrem spannendes Thema für lokale Communities und damit auch für Lokalblogs!

(Online)Journalismus hinkt in Deutschland hinterher

von Steffen Greschner am 29. November 2011 · 407 Kommentare

Holger Schmidt vom Netzökonom-Blog der FAZ hat sich heute die Comscore-Zahlen zur Mediennutzung der letzten 12 Monate angeschaut. Das Facebook und Co. im letzten Jahr deutlich dazu gewinnen konnten, ist wenig überraschend. Etwas überraschend ist aber der Stellenwert, den Nachrichtenseiten in Deutschland einnehmen, verglichen mit dem Wachstum der Nachrichtennutzung im restlichen Europa, fällt Deutschland sehr weit zurück:

Eine Besonderheit in Deutschland betrifft die Nachrichten- und Informationsseiten, die in Deutschland nur auf Rang 10 der meistbenutzten Kategorien rangieren. Die Zahl der dort verbrachten Minuten ist in den vergangenen 12 Monaten nur um 1 Prozent auf 1,5 Milliarden Minuten gestiegen, während diese Kategorie in Europa 38 Prozent auf 17,4 Milliarden Minuten zugelegt hat.

Bei der Nachrichtennutzung kann Deutschland beim Europa-Trend nicht mitziehen. (Quelle: F.A.Z./Netzökonom)

Bei der Nachrichtennutzung kann Deutschland beim Europa-Trend nicht mitziehen. (Quelle: F.A.Z./Netzökonom)

In diesem Zusammenhang ist mir eine Analyse von Marcel Weiß von neunetz.com eingefallen, der vor einigen Monaten beklagt hatte, dass deutscher Verlagsjournalismus online nicht existiert:

Die deutschen Portale der Presseverlage sind bisweilen komplett austauschbar, weil sie sich zu einem Großteil aus Agenturinhalten speisen und die eigenen Inhalte lediglich auf Papier veröffentlichen (oder zu horrenden Artikelpreisen). Stern.de ist ein besonders krasses Beispiel, wie Stefan Niggemeier aufzeigte.

Austauschbarkeit in den Inhalten, keine eigenständige Positionierung (von Bildergalerien, die Klicks aber keinen Mehrwert schaffen sollen, abgesehen), und eine Vermarktung, die in ihrer Papiersimulierung genau so schlecht ist wie der Rest des Angebots.

Die StartUp-Szene lässt in Deutschland in dieser Hinsicht leider auch zu wünschen übrig: Es liegt in einigen Bereichen ein unbestelltes Feld bereit und außer kleineren Versuchen, wagt sich niemand ran. Selbst die “Großen” kommen nur langsam in die Pötte: Mit der NZZ hat sich unserer Kenntnis nach die erste deutschsprachige Zeitung dazu entschieden, nicht mehr dem Konzept Printjournalismus mit Onlineableger zu folgen, sondern sich auf das wirkliche Kerngeschäft zu Konzentrieren – Journalismus. Ob Print, Online, Mobile, Paywall oder wie auch immer dieser am Ende verteilt wird, ist egal.

Grassroot News: Lokalblog-Ströbele in nationalen Medien

von Steffen Greschner am 25. November 2011 · 348 Kommentare

*update 5/ 29.11.*
Die Geschichte Ströbele ist inzwischen zur “Fischfutter-Affäre” geworden und wandert durch die klassischen Medien. Den besten Überblick bietet inzwischen Google-News. Neben der BZ, hat inzwischen auch Deutschlandradio über die Geschichte berichtet. Ströbele selbst hat auf seiner Webseite, auf Facebook und im Tagesspiegel öffentlich Stellung bezogen. Außerdem bekommt Ströbele inzwischen einige Anfragen über abgeordnetenwatch.de.

Der Originalartikel steuert inzwischen auf die 5.000 Facebook-Likes zu und wird laut Hardy Prothmann nach wie vor sehr oft aufgerufen. Die letzte Zahl, die un bekannt ist waren deutlich über 70.000 Artikelaufrufe bis gestern Abend 18.00 Uhr.
*update Ende*

*update 4/ 22:15 Uhr*
Das ist Wissensgesellschaft: Das “Fischfuttergate” ist inzwischen auch auf wikipedia:

Fischfuttergate: Der grüne Rechtspolitiker Hans-Christian Ströbele erregte 2011 bundesweites Interesse, als er versuchte, die Berichterstattung über einen Vorfall während eines Badeurlaubs von Ströbele und seiner Frau in einem lokalen Blog zu unterbinden. Ströbele schaltete vergeblich den auf Medienthemen spezialisierten Anwalt Johannes Eisenberg ein. Die Posse wurde bundesweit thematisiert.

*update Ende*

*update 3/ 21:30 Uhr*
Der Nachrichtengang nimmt seinen Lauf:

Welt Online titelt:
Ströbele, seine Frau und die Affäre Fischfutterkugel” (auf Morgenpost der exakt gleiche Artikel)
Die MainPost titel:
Ein Abgeordneter und die Sozialen Netzwerke - Mit Fischfutter fing alles an

Retweets unverändert zwischen 50 und 100 pro Stunde. Facebook-Likes rund 100 pro Stunde, aktuell 3.500 direkt auf den Ursprungsartikel (Zum Thema inzwischen einiges mehr, alleine der Welt-Artikel hat nach 3 Stunden über 80 Likes). Spread.ly Empfehlungen: 4.200.

Eine eigene Facebook-Gruppe.

Die Grafik zeigt deutlich, was man unter dem Streisand-Effekt versteht:

#Ströbele auf Twitter: Nachdem die Abmahnung bekannt wurde, ging es los.

#Ströbele auf Twitter: Nachdem die Abmahnung bekannt wurde, ging es los.

*update Ende*

*update 2/ 18:30 Uhr*
knapp 50.000 Leser. 2.900 Facebook-Likes. 3700 spread.ly-Empfehlungen. Twitter wird langsam weniger mit rund 50 Retweets pro Stunde. Vor rund einer Stunde hat eine sehr große Facebook-Gruppe auf den Beitrag verlinkt und bringt seitdem enorme Besucherzahlen auf den Heddesheimblog. Ein tolles Beispiel, wie sich Nachricht auch Außerhalb großer Medienunternehmen verbreitet.
*update Ende*

*update 12:30 Uhr*
Bis jetzt hatte der Beitrag gut 40.000 Leser. Die Facebook-Likes haben sich seit gestern Nacht annähernd verdoppelt: inzwischen sind es rund 2.000 Likes! Die retweet-Geschwindigkeit auf Twitter hatte über Nacht etwas nachgelassen, ist am Morgen aber wieder auf ähnliches Niveau, wie gestern Abend gestiegen. Erste Angebote für die Übernahme der Anwaltskosten sind auch schon eingegangen:von Blogger Sascha Pallenberg.
*update Ende*

Der Heddesheimblog ist wohl der erste Lokalblog, der es geschafft hat (oder besser gesagt im Moment schafft..) ein lokales Thema zum nationalen Aufreger zu pushen. Ein Artikel über den Bundestagsabgeordneten Ströbele, dessen Frau, Fischfutter aus Schleudern und ein Schwimmbad im Schwimmverbotsbereich, hat eine ziemliche Lawine losgetreten.

Der Blogger Hardy Prothmann hat uns gerade gesagt, dass innerhalb der letzten 28 Stunden rund 30.000 Menschen auf den Heddesheimblog zugegriffen und weit über 150 Kommentare geschrieben haben. Aufgrund des Besucheransturms war die Seite heute am frühen Abend vorübergehend nicht erreichbar.

Auf Twitter ist das Thema der absolute Renner mit bis zu 200 Retweets (pro Stunde!!!):

Bis jetzt (23.24 Uhr) wurde der Artikel knapp 1.300 Mal auf Facebook geliked:

Inzwischen hat der Tagesspiegel darüber geschrieben (und interessanterweise direkt einen Themenbereich dafür eingerichtet). Der Spiegel hat es auch schon laufen und die Bild steht in der Warteschleife… ;-) . *update* Jetzt ist die Bild auch da: